Wenn ich über Heimat schreibe, dann ist das ein kleiner Friedhof in praller Sonne, in nieselndem Regen, ungeschützt mitten am Hang mit Blick übers Tal. Der Bachlauf im Tal ist nicht besonders breit, nicht besonders wild. Es ist nur ein sanftes Wiesental am Rand von irgendwo. Die Wege sind rotsandig, die Obstbäume am Rain sind alt und knorrig und mit grünen Flechten überzogen, und die Straße, die sich durchs Tal zieht, ist eine einfache Landstraße. Das Dorf liegt da im vollen Licht, seine Geheimnisse aber bleiben bedeckt. Die Bewohner sind dir fremd geworden. Die Augen der Alten erinnern. Sie erinnern die Kühe, die Pferde, die Ziegen, die Gänse. Sie erinnern den Schmied, den Krämer, den Lehrer, den Bürgermeister und den Pfarrer. Die gibt es alle nicht mehr. Der letzte Bauer ist fort. Zum Schluss verschwand auch das Brot mitsamt dem Bäcker. Nur an einer Stelle, da liegt immer noch der Hund und bewacht die Straße. Es ist ein anderer Hund.
Das Dorf hat sich leicht geschminkt. Die alten Häuser sind farbiger geworden, es gibt neue Häuser, die Hänge hoch geklettert wie Efeu an der Mauer. Hinter den Häusern beginnt der Wald. Und hört so schnell nicht mehr auf. Er saugt dich ein und spuckt dich wieder aus, auf eine Lichtung, eine Wiese, in einen verschlafenen Weiler. Über dir kreist schweigend der Rote Milan. Der Specht zimmert ein Dach in die Stille.
Du steigst vom Friedhof weiter die Kuppe hinauf. Kannst nicht mehr aufhören zu laufen, kannst nicht mehr aufhören zu lächeln bis du ganz oben stehst. Wie feines Tuch breitet sich dein Lächeln über die Täler und Hügel.
Heimat