Die blaue Stunde

Da ist sie wieder, meine blaue Stunde!
Es ist diese eine magische Stunde am frühen Morgen,
in der die anderen noch schlafen,
nur die Vögel und ich, wir sind schon wach.

zeitloses Schweben in der Zeit

Draußen stiehlt sich der Tag über die Dächer,
drinnen bannt mich der blaue Lichtkreis des Monitors.
Die Vögel singen in den Frühling,
und ich gehe auf die Reise.

weiße Rosen

Ich lass dein Bild verblassen,
deine Schritte, deine Stimme, dein Lachen
verhallen.

Schade, dass du es zulässt
in meiner Erinnerung zu welken
wie ein Strauß müder weißer Rosen.














Foto:  Katrin Schäflein www.picturepilot.de

fernes Land

Raue Berge ruhen im vergehenden Licht,
kaum ein Hauch von Wolken
vor der blassen Sichel des Mondes.

Keine Menschenseele, weit und breit
nur das eintönige Singen
des Winds über kahlen Hängen.

In der Höhle warten die Steine
auf die Rückkehr des gelben Hundes.

 












Foto: Andrea Zaumseil (c) Andrea Zaumseil

Aschermittwoch-Spiel

erst vermasselt, dann vergeigt, endlich vollends verdorben
fromm Asche aufs Haupt und frisch fröhlich gebüßt
gleich drauf blindlings los in den nächsten Schlamassel

buntes Konfetti im Schnee erinnert an bessere Zeiten

kleine Liebe

Gäb es die Heinzelmännchen noch, dann
würde ich jetzt nicht
mit dem Absatz meines linken Stiefels
in einem Kaugummi kleben
und mit der Vordersohle meines rechten
in einem Hundehaufen stehen.
Pfui Teufel!
Sie hätten den Unrat längst beseitigt.
Und morgens fände ich immer frisch polierte
Schuhe im Regal, glänzend wie Spiegel.

In eins der scheuen Kerlchen war ich schon verliebt.
Er war kaum daumengroß, blieb immer zögernd stehen,
während die andern vor mir flohen.
Es war ein winziges Gefühl in meinem Herz,
genauso klein wie er, mehr Dankbarkeit als Liebe,
wunderschön.

Dann waren sie plötzlich alle fort, keiner
ward mehr gesehen, die Schuhe
blieben blinde Spiegel, ungeputzt.

So ist es wohl, wenn man erwachsen wird.

Tod einer Nervensäge

Er hat es uns wirklich nicht leicht gemacht.

Ein Säufer und eine Nervensäge, das war er.
Immer mit einer Kippe im Mundwinkel,
hat er Kinder und Ausländer übel beschimpft,
uns bei jeder Gelegenheit das Ohr auf den Boden geschwätzt,
ständig wegen nichts und wieder nichts Polizeialarm ausgelöst und alle mit seinem Lärm gefoltert.
Manchmal hörten wir ihn wiehern vor Lachen.

Jetzt ist er tot. Und nun?
Langeweile hoch drei im Karree des Hinterhofs.

Foto: Katrin Schäflein www.picturepilot.de

stein(chen)zeit

die Stadt liegt stiller als gewohnt
die Autos atmen nur gedämpft
du trittst vors Haus und sinkst hinein
machst einen Abdruck in das sanfte Weiß
sulzige Pfützen sind wie breite Seen
unüberwindbar fast, es hilft dir nichts
du musst hindurch auf spitzen Zehen

Matsch spritzt nach allen Seiten
winzige Steine knirschen unterm Schritt
verfolgen dich als ungebetne Gäste in dein Reich
kullern, gestrandet, über das Parkett
Kiesel, gefallen aus dem Lauf der Zeit
das schwarze Leder deiner Stiefel
trägt jetzt Weiß als Kleid