der beste Freund

Gestern ist mir ein kunstsinniger Pudel begegnet.
Ein schwarzer Pudel mittlerer Größe, also größer als üblich. Wie eine Eins saß er hoch aufgerichtet im Publikum.
Der Gesichtsausdruck intelligent, aber auf eine gute Art.
Der Blick wach, ganz im Hier und Jetzt. 
Sein Herr dichtete auf der Bühne wortreich vor sich hin.
Als der Dichter nach vollbrachter Lesung auf seinen Platz zurückkehrte, traf ihn der Blick des Tieres: nachdenklich, unverwandt, ohne Bewunderung, aber voll Verständnis.
Der Blick eines besten Freundes, der dich nicht in Frage stellt, sondern dich fraglos akzeptiert.

augenblicklich

... hab ich den Ausblick satt
hab keinen Einblick
der Durchblick fehlt mir, und
der Rückblick lässt mich seufzen
bleibt mir nur
Dein Blick

kleine Fluchten

ich hab die Stunden verträumt
verträumt unter Bäumen
bin mit den Wolken ins Blaue gezogen
hab mir den toten Ast grün phantasiert
und faulende Früchte rot gelogen
bin mit dem Wind ans Meer
hab mir das Wasser ganz süß gedacht
im Sand mit den Zehen nach Schätzen gegraben
es mir auf den Wellen bequem gemacht
ich hab den Alltag versäumt
verträumt auf dem Meer unter Bäumen

Foto: Katrin Schäflein www.picturepilot.de

wer bin ich?

Du glaubst, du kennst mich. Sag mir!
Wer bin ich im Spiegel deiner Augen
Warum fall ich hinein in deine Brunnen
Verfange mich in deinen wirren Nestern
Wieso leg ich mir deine Schatten um?

Kennst du mich wirklich?
Du blickst durch meine Spiegel, rufst
Hinein in meinen Wald, fängst
Mühelos mein Echo, jagst
Meine Schatten hinaus aufs freie Feld

Wer bin ich? Lass sehn!
Du malst mit leichter Hand ein Bild von mir
Das mir nicht gleicht, ich kenne mich nicht wieder
Das bin nicht ich, es zeigt mir mehr von dir
Als es von mir verrät

Über die Farben des Alltags

Die Herausforderung hat einen Namen, sie heißt Alltag.
Alltag kann bunt oder eintönig sein. Stolpersteine, Kleinigkeiten und Zufälle färben den Tag. Augenblicke, Stimmungen, das menschlich Berührende nicht zu vergessen. Es hat viele Farben.
Und dann die Farben, die keine sind. 
Schwarz ist nicht eintönig, es ist nie nur schwarz. In seiner Tiefe spielen Farben mit Licht. Selbst Grau trägt in sich Farben. 
Weiß ist die Leere, in der ich mich spiegele, indem ich sie fülle. 

Es gelingt mir nicht immer die Farben zu sehen. Es gibt Tage, da ist Schwarz nur schwarz und Grau einfach grau. Die Steine sind leblos und die Sterne unerreichbar. Das Weiß bleibt leer.
Lockstoff

jedem
sein kleines Schwarzes
mit der Saugkraft eines Dirt Devil
jedem sein kleines schwarzes Monochrom
wer noch keins hat, malt sich eines
mein Lockstoff ist Rot
und deiner?


Foto: Katrin Schäflein www.picturepilot.de

Friedwald

Alte Bäume, von unten betrachtet
Sind einbeinige Riesen, ihr Fuß
Wurzelt tief in der Erde, ihr Haupt
Ragt in den Himmel, Himmelsleitern
Sind sie, kluge Vermittler
Zwischen uns und dem da oben
Friedwald
In ihrem Schatten ruhen
Die Erfinder von Agent Orange
Die Luftverpester, und auch
Die Betreiber der Kettensäge
Finden endlich Ruhe
Im Rauschen der Blätter

Flaute

die Gedanken hängen abgetörnt in den Seilen
die Seele baumelt am Mast, ein müder Putzlappen
das Lüftchen hat sich verzogen, keine Lust mehr
zum Spielen, fächelt matt vor sich hin
kräuselt winzige Wellen übern Spiegel
will allein sein, animieren soll ein anderer

Die Nacht

Die Nacht ist ein freundlicher Fluss
in dem Stern-Fische schwimmen
und Wolken wie Flöße gleiten
ein stilles Treiben
auf sanften Himmelskanälen

Die Nacht ist ein unruhiges Meer
in ihren Höhlen lauern scharfzähnige Muränen
auf der Jagd nach Stern-Fischen und Wolkenflößen
dünnhäutige Stille zerreißt
im Warnruf der Martinshörner