Traumhüllen

ein verlebtes Zündholzschächtelchen mit abgenutzter Reibfläche
die erste Schachtel Glimmstängel, Teer auf der Straße zur Freiheit
ein Blindbuch in nachtblauem Leinen mit goldenem Schloss
das finnische Holzkästchen, darin tausendundzwei Knöpfe
ein moosgrüner Schuhkarton für weinrote Schuhe
Johnny Depps Schatzkiste voll mit schillernden Filmkostümen
ein rostiger Überseecontainer unterm rauen Schrei der Möwen

fliehendes Pferd

Komm mir zu nah, und
ich bin ein fliehendes Pferd,
eine gurrende Wildtaube auf dem Dach,
ein blauer Schmetterling.

Fliehende Pferde soll man nicht aufhalten,
sie kommen von selbst zurück.
Die Taube wird zum Spatz in deiner Hand, und
die blauen Flügel des Schmetterlings verwandeln sich
in knisterndes Seidenpapier unter deiner Berührung.

banal

Es ist nicht alt, geht nicht am Stock und
hinkt nicht, hat keine Hakennase, keinen
Buckel, und es stinkt nicht.
Es ist nicht schwarz, nicht weiß,
tritt auf in jeder Form und Farbe.

Giftgrün blitzt es in meinen blauen
Augen, flammt wild orange
in deinem blonden Haar, trägt Feuerrot
auf seinen vollen Lippen, tönt
unsre Fingerspitzen aschengrau.

Das Böse, es ist ganz banal.

Fenster zum Hof II

Ort: Ostend, nicht Greenwich Village
Zeit: ein Frühlingsnachmittag
Kein Stoff für Filme, die wir gerne sehen.

Die alte Frau von gegenüber probt die Flucht.
Ihre weißen Haare leuchten im dunklen Hausflur.  Am ganzen Körper zitternd vor Anstrengung und Aufregung drückt sie die Tür mühsam einen Spalt auf, nimmt hastig trippelnd Anlauf, schießt hinaus in die kleine Freiheit, kommt schwankend zum Stehen, sucht Halt, tastet sich an der Hauswand entlang bis zur Ecke, klammert sich fest, schaut gierig die Straße hinauf und hinab.
Gier nach Leben. Es folgt der Rückzug in die einsame Hölle.














Foto:mr

reingefallen

Der Frühling ist ein falscher Fuffzger.
Er verspricht dir das Blaue vom Himmel,
lockt dich aufs Rad hinauf, schickt dir noch Rückenwind.
Und wenn du so richtig schön in Fahrt bist,
wirft er dir Steine in den Weg und lässt dich
aus heiterem Himmel unsanft auf die harte Erde prallen.

Trau nie einem Luftikus, einem Hallodri und Windhund!

Lazy Sunday Afternoon (Faces 1968)

Ich dreh die Mühlen meiner Kindheit,
lass im Ticken der Küchenuhr die eintönigen
Sonntagnachmittage auferstehen, weck mit dem Duft
frischen Kaffees den Kuckuck in seiner baufälligen Hütte.
Mühsam kommt sein eingerosteter Mechanismus
in Gang, schnarrend öffnet sich die Tür, er hinkt
heraus, ein alternder Star. Er ruft, er krächzt, er stottert …
Ich schick ihn heim, schalte das Radio an, hol mir
die Welle und lass mich mit den Hits der 80er berieseln.

Verdammt Lang Her (BAP 1981).

mein geheimer Garten

Komm herein, ruh dich aus, träumend 
hingestreckt ins hohe Gras, umflirrt vom Sonnenlicht,
umtanzt von Schmetterlingen und Libellen.
Eingebettet in den schweren Duft feuchten Grüns,
unterm dunklen Leuchten schwarzer Akeleien
murmelt sich Wasser den Weg durchs Moos.














 Jeannette Frei: Moosbett Nr. 2
 (Lustgartenausstellung im Herbst 08 in Mäder/A)
(c) Jeannette Frei    www.jeannettefrei.de 


frühling 5.5 

im verborgenen
verdeckt ermitteln verstohlen
sprießen rastlos wachsen quer treiben 
wild weiß knospen ausbrechen
rot sonnenwarmes
s e i n