der Garten der Kindheit

ist doch
der Garten in mir
jetzt
die schlanken schwarzen
Tulpen /  zartblaue Wolken
von Vergissmeinnicht / Iris
in allen Farben / regenbogengleich
und Akeleien die feinen
die stets so tun
als ob

ist doch
der Garten in mir
jetzt
in dieser Zeit des Regens


Jeannette Frei, Frühling 2012 (Ausschnitt)

dein Bild

Ich rahme dich taubengrau
wie der Regenhimmel
über meinem Haus

Ich rahme dich feuerrot
wie die Bauerngeranie
vor dem Balkon

Ich rahme dich lichtgelb
wie der Schein der Lampe
in meinem Fenster

Draußen wird es langsam Abend
und der Regen fällt und fällt
Heute kein Regenbogen
um dich zu rahmen

Alas

Ich mag dich rahmen
tausendfach doch
ändern will und kann  ich nichts
an deinem Bild

Füllhorn

schenk mir dein Füllhorn
gefüllt bis zum Rand

bunt sollte es sein
selbstverliebt sonnenverwöhnt
Raum sollte es haben
für uns und
unsre Träume ließe ich
purzeln
wie sie kämen
Füße zuerst oder
Schopf voran
wie sie wollten
fliegen sollten sie
platzen
bunte Fetzen nähm ich
in Kauf
sammelte sie
in meiner Kiste
der Kostbarkeiten

ich wünschte es wär
so
ich wünschte wir wären
so

Und ich bin

Der Wind hat's verweht
Was?
Ich weiß nicht
Ich weiß nur: Es ist nicht mehr da
Und es ist still wie
Schon lange nicht mehr
Und es ist grün wie
Schon lange nicht mehr
Und es blüht wie
Schon lange nicht mehr
Und ich bin

Kerzen in einem buddhistischen Tempel in Shanghai

Zeit für mich

Zeit für mich / im Innenhof

gefangen / das Gurren
der Tauben
gestohlen / die Strahlen
der Sonne
erhört / das Selbstgespräch
des Beos

Zeit für mich / ein Mantel
aus jadegrüner Seide


Das Lächeln des Drachen

Worte verlöschen
vor den Lichterketten der großen Stadt

Worte versanden
im ausgetrockneten Flussbett

Worte irren
zwischen den tausend Pappeln

Worte stranden
an der tausendjährigen Mauer

Das rote Lächeln des Drachen
verliert sich
zwischen himmelhohen Häusern

China (2013)

China: ein Gewusel von Menschen, Lauten, Farben, Gerüchen. Ein ruhiger Moment ist ein grüner Stein, ist das Gesicht der alten Müllsammlerin, ist ein trockenes Flussbett, ist ein Vogelgezwitscher, ist der Wasserbüffel im Regen, ist die Dschunke auf dem Nebelfluss, ist die Skyline der Hochhäuser gegen den Abendhimmel. Ein ruhiger Augenblick ist kostbar.

Auf dem Nebelfluss (Jangtse)