Das Versteck

im Schrank auf dem Flur
hingen Vaters Jacken und Mäntel
sie rochen nach kaltem Rauch
und boten ein gutes Versteck

oben auf dem Hutbrett
in der hintersten dunklen Ecke
lagen die Pistole und das Halfter
allzeit bereit

wenn das Telefon klingelte
kam Vater manchmal zum Schank
öffnete die Tür
nahm die Pistole heraus
und steckte sie ins Halfter

er schnallte das Halfter um
schlüpfte in seinen Mantel
setzte den Hut auf
küsste die Mutter auf den Mund
und verließ die Wohnung

mitten in der Nacht
kehrte er zurück



stille Tage

stille Tage
wenn's drinnen und draußen
schweigt

wenn alles
selbstverständlich läuft
wie geschmiert

ohne Zweifel

wenn Dämmer ein Zustand ist
in dem etwas aufblüht
ohne Frage

stille Tage

Chamäleon

wenn ich dich ansehe
sehe ich viele verschiedene
in Einem
Einer hat immer die Oberhand
für Minuten, Stunden
für den ganzen Tag
oder länger

Ich bin dann die Andere
passend oder unpassend zu dir
je nachdem
welches Muster ich gerade webe
welche Farbe ich trage
färbe ich ein wenig ab
auf dich

und du färbst ab auf mich

Geistesblitz

wenn ich nicht weiter weiß
dann stiere ich ein kleines Loch in die Wolkendecke
[fällt ja keinem auf]
ich stippe mit dem Zeigefinger hinein
bis ich den winzigen Engel zu fassen bekomme
der darin poft
ich puste ihm sanft in die blonden Locken
zupf ihm erst die Flügel zurecht
und dann sein Hemdchen
und polier ihm den Regenbogen auf
vorsichtig mit meiner Fingerspitze
bis die Farben schillern

wenn der Engel dann
auf dem Bogen zu schaukeln beginnt
gibt es einen Geistesblitz

regenfahrt (zu hundertwasser)

träume ins graue
steigen lassen
regenbogen gleich

spiralen malen endlos
termitenerdenbraun
mit feurig rotem mohn
im herzen

regenprasseln dirigieren
eintönend
die hand immer am lenkrad

sich an den verwaschenen horizont
klammern
bis er bricht
Ich habe heimlich
aus deiner Schublade genascht

Ich habe mich fremdgeschämt
für mich selbst
weil ich es heimlich tat

Du hast es nicht bemerkt
Deine Vorräte gehen nie aus

verfrühter Nachruf

Gegessen
Brot mit Butter und Salz
Gewusst
die Kindheit kommt nicht mehr zurück

Gesungen
ein einfaches Wiegenlied
Geahnt
dass Hoffnung nicht immer Sinn macht

Gelesen
ein Gedicht von Erich Fried
Gewusst
nie werde ich so schreiben können

Geliebt
die an meiner Seite
Gelebt
wie es mir möglich war
Geahnt
dass der Tod ein Meister ist

.


meine sonne schenk ich
keinem
und nur
einem
schenk ich meine nacht

vogelfrei am himmel
in den zweigen
zilpgezwitscher
quirlig
a c h
der frühling
wie er sich gebärdet
dieser zauberkerl
jedes jahr
immer wieder
wundersam

Kleinteile in Arbeit


der Flug zu den Sternen
wurde verschoben
aus familiären Gründen

.

ich weiß nicht
[I don't know either]
ich weiß nicht weiter

.

was ich sagen wollte
war unerhört
es blieb ungehört
weil ich es nicht sagte