ach und weh geschichten


schnee von gestern
schmilzt nicht
spurlos
.

dein herz
erschlägt
dich
 .

vorbei ist
immer anders



in diesem einen winter

in diesem einen winter

in dem alles zerfiel
wie ein sonnen beschienener eiszapfen
der spiegelnd zerschellt

in dem die eisdecke brach
unter den füßen die
weiter liefen

weg vom sicheren ufer

bewegte ich mich
wie im traum der mich
träumte

ohne absicht 


.

sturmtoben -
in klingende stille eingehüllt
mein schlaflied
.

tagebuchnotiz

gestern abend
in dem buch gelesen
das ich gern selbst geschrieben

hätte

von farben

unter laub bäumen
wandeln bis der winter kommt
mit seinem weißen tuch
vorüber gehend
die spindeldürren äste bekleidet
ohne zu fragen ob sie
weiß mögen oder lieber weiter
magersüchtig
in den himmel ragen möchten
braun in grau

grün ist die erste qual
im frühling
blond und blauäugig der sommer
wenn er denn kommt
und rot -
rostrot ist die liebe im herbst


.

Kälteeinbruch
Ich hülle meine Hoffnung
In warme Wolle

.

ehrliches flickwerk


ehrliches flickwerk
soll uns genügen
alles andere ist nur
schöner schein

buntes flickwerk
meinetwegen
grau ist nicht wirklich
ein farbe obwohl ...

grau ist immer gut
für tage an denen
wir nicht gesehen werden
wollen

weil uns die welt
zu nahe kommt
mit ihren grellen
farben


paula (an paula modersohn-becker)

ins flirrende paris
bist du gegangen
um dich zu leben

dich zu feiern

dein spiegelbild
du von dir selbst
gebannt auf leinwand

zu befreien

schwer und doch leicht
trägst du die kette
um den bloßen hals

du scheinst

befreit und doch
noch immer in den fesseln
einer frau

dein blick
ist unverwandt gerichtet
in dich selbst

zu früh holt dich
dein schicksal
wieder ein




Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag


kein anschluss

kein anschluss
unter dieser nummer
nur schweigen
stille

die zeit
stehen geblieben
gefühle
eingefroren

wohin mit
den fragen die
offen bleiben
in alle zukunft











Tummeln
im Herzfluss
ein Treiben
herzgebunden

Bilder mit freundlicher Genehmigung von Dawa Lanius








dagegen das Blau
beweint sich selbst
frisst seine Kinder
speit sie wieder
aus tiefster Seele
ewig unerlöst

das Fahrrad

jeden Morgen
landet mein Fahrrad
neben einem anderen Gefährten
im Unterstand

abends
wenn ich es abhole
wirkt es nicht immer
glücklich

ich frage mich
was sie miteinander reden
den lieben langen Tag
da im Unterstand

im November

fühle ich gern schwarz
ich betrachte am liebsten
schwarz-weiße Bilder
und die schwärzesten Momente
kommen mir in den Sinn

ihre Schwärze ist so tief
dass darin alle Farben
aufscheinen

und ich denke dass
auch Schwarz
mit all seinen Schattierungen
dazu gehört
zum Leben

(das schreibt eine im November Geborene)

Foto: Elvira Neundorf

ja die Liebe


du glaubst nicht
wie zwei Rosen
miteinander schmusen
trotz der Dornen
ja die Liebe

kümmert sich nicht
um blaue Flecke
zuckt nur kurz zurück
wenn's sticht
macht dann weiter

als ob nichts wär

inside out - outside in

Blick aus dem Kunstmuseum Stuttgart auf den Schlossplatz an einem Samstag im Oktober

La Chana

Gott hat mir
keinen Dornbusch gegeben
in dem ich brenne

Gott hat mir
die Sehnsucht gegeben
nach den Dornen und dem Feuer

La Chana (Mein Leben - ein Tanz)  ist ein Film über die Flamencotänzerin 
Antonia Santiago Amador

Herbstsam

im Auge des Winds
treffen sich Himmel und Erd'
huuh, wer bläst denn so wild ...
.... verhüllt schamhaft sein Angesicht

Bilder von Dawa Lanius

schreiben soll ich vom herbst


bin es ich
die ein graues haar findet
mitten auf der wiese

bin es ich
der die worte nach drei zeilen
vertrocknen

schreiben soll ich
vom herbst und bin doch herbst
unbeschreiblich

Schritte

leichte Schritte
hatte ich erwartet -
ein schwerer Schritt
trat in mein Zimmer und
blieb

für J.

Freund Rotkehl' und ich
wir werden dich begleiten
über Stock und Stein
singend
redend
schweigend
an deiner Seite
merkwürdiges Gefolge
liebendes Gespann

Ausschnitt aus der Madonna im Rosenhag, Colmar






spätsommer

die matten strahlen der sonne
die kaum mehr wärmen
du hebst dein lächeln
suchend findend
der quelle entgegen
freust dich zugleich
auf die höhle der dunkleren zeit
die dich bergen wird



licht und schatten

du sonnst dich im eignen licht
bemerkst nicht die wolken
die vorbei ziehen
bemerkst nicht die schatten
die du wirfst

hauptsache
die strahlen deiner sonne
wärmen dein gesicht

mobiler pflegedienst

 .

"zeit für dich"  -
im auto heavy metal
der pfleger eilt

.

 

storchensalat

viele störche
verderben
den salat
viele köche
den brei
viele hühner
das ei

vieles ist oft
viel zu viel

meinst du nicht auch?

oder ist's
nur ein spiel?

assemblage: steffen hahn



der blick

als ich hinausging
stahl ich einen blick
trug ihn mit mir herum
den lieben langen tag
bis er welk ward

ich wickelte ihn
in meine erinnerung
um ihn zu bewahren
so gut es ging
zu bewahren
für schlechtere tage





Wenn der Bogen zerbrochen ist,
und du keine Pfeile mehr hast,
dann schieß,
schieß mit deinem ganzen Sein

aus dem Zen-Buddhismus

der durst

übermorgen kann der durst nicht
größer sein als morgen
als heute
gestern

der durst nach liebe
die in sich selbst ertrinkt
der durst nach nähe
die sich selbst einsperrt
der durst nach ewigsein
im unerträglichen jetzt

die schlange mit dem schwanz
im maul 
sie beißt sich selbst

sommerabend

es gibt nicht viel zu sagen
ein luftzug nur der
die gardinen bewegt
ein leises winken der blätter
im abendwind
auch die vögel sind
still

vielleicht wird
ein gewitter kommen
und dich und mich und die welt
aufstören aus dem traum
der wie ein schleier
hängt überm ende des tages
wie ein feines netz
unsre abendgedanken
fängt und wiegt

sayonara

www.picturepilot.de

auf der alten Rheinstrecke

eine Burg, nur mit dem Kahn
zu erreichen
umspielt von silbernen Wellen

Kormorane mitten im Fluss
wie junge Frauen
mit langen Hälsen

die Geigerin nebenan studiert Noten
ihre Füße sind den Schuhen entschlüpft
die Zehen krallen Luft

ich halte die Luft an
und pflücke den Moment




die Endlosschleife

sie kamen aus den Wäldern
marschiert und
nahmen mich in ihre Mitte
es war meine Zeit
ihre Zeit war längst um
sie lebten fort als Schatten
des großen Krieges der
sich ständig erneuert
sie rauchten hastig
die immer letzte Zigarette
nahmen den letzten Schluck
tanzten den letzten Tanz
in einer Endlosschleife
gefangen
unerlöst
und ich in ihrer Mitte

www.picturepilot.de

der traum

ich trage dieses winzige
federleichte
uralte wesen
an meine brust gedrückt
durch die nacht
hoffe dass es den gang
übersteht
ohne sich ganz
in meinen armen
aufzulösen

ich wollte es nicht
es wurde mir
an die hand gegeben
ans herz gelegt
einfach so im traum
wurde ich zur hüterin
seines verschwindens
bestimmt

nun wird es immer
kleiner
in meinen armen
.

die fledermaus
vom letzten jahr
ist fort
mein garten war ihr
jagdrevier
nun ist sie fort




manchmal zerbricht etwas

manchmal zerbricht etwas
in dir
merkst es erst gar nicht
und wenn du es bemerkst
hast du kein Flickzeug zu Hand
es zu reparieren
keinen Plan
nur die tief innere Not die
von keinem gesehen wird
nur von dir selbst
das denkst du
bis dich von irgendwoher
etwas streift
und du wahrnimmst
dass dir der Flügel wieder
gerichtet ist
wie von selbst
nicht mehr neu aber
gerichtet
und du kannst weiter
fliegen fast als ob
nichts gewesen wäre

erstes Date


Wohin mit
Den Händen?

Augenspeere
Mitten ins Herz
Die Münder
Einsame Versprechen

Jeder sein eigener
Ingenieur
Beim Brücken bauen
Teambildung
Ein Muss

barfuß im Gras


der Morgentau
der Erinnerung klammert sich
an Grashalme
die sich immer wieder aufrichten
und das kleine Glück
hervorkitzeln
aus deinen Fußsohlen






Esslingen Neckar

in der Luft regenschwer
der Duft weiß blühenden Bärlauchs
grün gesättigt der Blick
und im Ohr schon das Rauschen
des Wassers im Wehr
ich kann nicht laufen ohne
dass meine innere Stimme
dir erzählt
was ich sehe höre rieche
doch was ich fühle ist
die Freiheit der zeitlosen Stunde
allein mit mir

der schwindel


mit schöner regelmäßigkeit
stellt sich ein schwindel ein
wovor?

vor allem
was mich ohne rast bewegt

zum beispiel vor ...
den füßen
die so nimmermüd entgegeneilen
einem unbekannten ziel

und vor ...
der sehnsucht die so
rasend schnell und langsam
sich bewegt

und vor ...
dem nicht zu lüftenden
geheimnis das im innern
sich verbirgt

und vor ...
mir selbst
vor allem vor mir selbst die
sich im kreise dreht



es ist die Zeit

es ist die Zeit
da du dich am liebsten
verstecken möchtest
vor der Zeit

Kopf in den Sand
wie ein Vogel Strauß

du fühlst dich nicht mehr
Herr deiner selbst
weiß nicht wer dich
sonst meistern sollte

das Leben war kein guter Meister
der Tod ist es noch nicht
dein Köper weicht dir aus
die Technik stellt sich wider dich

wie einfach
könnte alles sein
wenn du es nur
meistern könntest



frühling

traumpfade geh ich
im frühling
wie jedes jahr
und doch anders
trocken staubig sind
die wege weht der wind
nur stellenweise
will die wüste wieder blühen
bürste ich feinen staub
von diesem roten
muskel dem der regen
fehlt dem der bach
zum rinnsal wird
wünsch dass er weiter
pocht noch viele jahre

schlag mir selbst
an die brust
um mich zu öffnen

zeitfenster

in einem zeitfenster
etwas erschaffen
das von dauer sein wird

der blick auf die uhr
verrät dich

du wirst es nicht schaffen
du wirst warten müssen
auf den moment
der dir grenzenlos scheint

hoffnung

gesehen in Nikosia, Unterboden-Installation in einer Bar

voll guter hoffnung
etwas erwarten

glauben /was nicht ist
wirklich machen

















du stehst
mit beiden füßen
auf der erde
und blickst hinunter
in hoffnung

du könntest
die hoffnung
mit füßen treten
doch gebannt
bleibst du stehen

du kannst nicht weiter
der weg ist dir verstellt
von der hoffnung


wilde alpenveilchen


wilde alpenveilchen
stehen in den startlöchern
und warten darauf
entdeckt zu werden

kommst du zu früh
erröten sie
kommst du zu spät
sind sie verblüht

lebzeiten

es kommt die zeit der verluste
wir werden älter
wir werden weniger
manchmal fehlst du mir
obwohl du noch bei mir bist
und einen der mir zu lebzeiten kaum fehlte
und den ich fast vergessen hatte
vermisse ich jetzt
und ich weiß
ich werde ihn nie mehr sehen
nur seinen schatten
bei mir tragen

was soll ich sagen

verluste sind schatten
die uns begleiten





nordzypern - windy hill

wind in den palmen
auf der terrasse
kein ausruhn

windbrandung
wozu meer?

windy hill - die verlassene bar
auf halber höhe
jeder versteht warum
sie keine zukunft kannte

blicklose fenster
mit aussicht aufs meer

heimkommen heißt
windstille
warmes licht im fenster
nebenan



rolling stone


zum abschied winken
ist wichtig
wenn du wild und gefährlich lebst
und vergiss nicht
dir einen letzten kuss zu holen
ohne wirst du vielleicht
verdursten

heimkommen steht
in den sternen
solange der wind weht
ankommen ist
eine frage des zeitgeists
der sich mäandernd
bewegt

aquarium

die fische schwimmen
wie im traum
ohne mühe
scheint ihr leben
hinter glas

andere entscheiden

während sie sich
in vergessen wiegen
erinnerung ist
nur ein flossenschlag
im meer




raum

raum
noch nicht belegt
durch das vorgedachte
vorgekaute

lichter spielraum
spielraum des lichts


heute morgen

heute morgen
liefen mir eine maus
und ein soldat über den weg

beide trugen tarnkleidung
und waren unterwegs
zur arbeit

porträt im winter


wenn du mich malst
dann male mir
ich bitte dich
einen zwilling an die seite
denn wenn ich alt bin
bin ich nicht gern
allein


langer sonntag

ich schleppe steine
schichte sie
stunde um stunde
stein auf stein
zu einer mauer
die du abtragen musst
abends
wenn du kommst

eine umarmung kann
steine ins rollen bringen
küsse können helfen

manchmal hilft
nichts
nur tragen


geballte faust

gesehen in berlin 2016

geballte faust
trifft nur luft
zorn verpufft

die kluft
schließt sich
wehrlos

sinnlos
der zorn
ohne ziel

ziellos
die faust
in der luft

Freitag Morgen

Frostflaum
auf den Ästen. Alles weiß
weiß.

Die Donau atmet aus.
Ein Hauch
über feineisiger Haut.

Endlich Sonne.
Aber so kalt.




heute Morgen

heute Morgen
in der U-Bahn
sitzt ein alter Mann

er ist unruhig
spricht andere an
was zu lesen ist in der Zeitung
will er wissen
und er beklagt sich
über das Quietschen der Schuhsohlen
seines Sitznachbarn

ich hülle mich
in mein Schweigen und
verlasse den Wagen
heimlich




warten

mein Körper braucht
Fernsehen
sagt der Junge zum Vater
seine Hand umklammert
die Chipstüte
sie steigen ein

ich warte
auf die nächste Bahn
zu Hause wartet
Stille

Schnee der fällt

Schnee der fällt
zu Beginn
des neuen Jahres
schon wieder

grau

in den Schuhsohlen
kleine Steine
jeden Winter
das gleiche Theater






irgendwo habe ich den Satz
gelesen
wenn du mich liebst
ertrage meine Freude

ich weiß nicht warum
aber
ich fand ihn sehr bezeichnend
für die Liebe