Heute schon gerollt?


In meinem Leben gibt es drei lange Rolltreppen.  Sie rollen aus der Unterwelt der städtischen Verkehrsverhinderungsbetriebe (kurz VVS) hoch ins Tageslicht. Wenn sie rollen. Meistens rollen sie nicht. Oder eine rollt nicht. Oder zwei rollen nicht, nur eine. Oder nur die letzte, oberste rollt nicht. Das bedeutet:  zwei lange Treppen wieder hinabsteigen, einen ewig langen Bahnsteig wieder entlang gehen bis zu einem Aufzug auf der anderen Seite, der auch nicht aufzieht. Oder doch. Man weiß nie.
Ich bin ja Gott-sei-Dank noch gut zu Fuß. Aber, was machen die anderen? Die Alten, die Fußkranken, die mit dem Herzschrittmacher, die Kleinkindträgerinnen, die Lidl-Besucher, die Maulwürfe?
Die Maulwürfe, das ist mal klar, die freuen sich. Die sind froh, dass sie endlich wieder Arbeit haben. Sie buddeln einen Kamin senkrecht nach oben,  reiben sich dann die Augen klar und linsen geblendet in die Sonne. Ha!
Tja - ich bin kein Maulwurf, sondern gehöre zur Gattung der Sonnenanbeter.
Mein Leben ist spannend. Jeden Tag was Neues. Immer flexibel bleiben. Den Rolltreppen ein Eigenleben zugestehen. Die, die zufällig rollt, anerkennend streicheln. Die anderen links oder rechts liegen lassen.

Bergsee

der See ruht glatt
ist ungerührt
ist nicht verspielt

spiegelt grün
den wolkenlos blauen
Himmel liegt regungslos grau
an düsteren Tagen hockt
manchmal fast
ausgetrocknet auf dem Grund
von weißen Kieseln

die rund sind nicht flach
nicht geschliffen von uralter Zeit
nicht  fröhlich hüpfen
über die spiegelnde Oberfläche
die immer gleich sind glatt
rund weiß
altersloser Grund

kein Kinderspiel
dieser See


An das Ungeliebte

Liebes Ungeliebtes,

ich mach dich zu meinem
weil du mein bist

selbst wenn wir uns nicht schätzen
gehören wir doch zusammen
und sind zusammen liebenswert

du bist meine Schieflage
mein schwarzes Loch
mein kleines Blackout
mein Holpern und mein Stolpern
meine Fallsucht
mein Mondflug
der dunkle Fleck
auf meinem Herzen
mein gemeines Unkraut

du bist immergrün
auf dich ist einfach Verlass!

 

am See


















 
 
Du baust Berge vor mir auf
himmelhoch türmt sich
was wir bestaunen müssen

Doch dann bricht Sonne durch
und die starren Felsen geraten
ins Wanken

Die Wellen des Sees
säumen geruhsam die Stunden
und wiegen den vollen Mond
Herbst
.

ich beiße in den Apfel
den ich dir reichte, damals
im Garten Eden

.

Unruh'

Ein kleines L hat mir gefehlt im alten Setzkasten, ganz zum Schluss. So ist manches unvollkommen, und man muss mit kleinen Fehlern leben.

nicht dein tag

wahllos setzt du
worte ans ende des tages
vorm fenster mauert dunkel
im radio die musik
verschlossen wolkig stimmen
aus einer fern drängenden welt
im ohr hockst du
mit dir allein

herbstzeitlos

heut'
triebe ich gern
in den Wind
hinaus
zu den raschelnden
Herbstblättern
wäre ein weinrotes
Blatt das sich löste
langsam zur Erde
taumelte
selbstvergessen
einfach so

eine Hand hielte mich auf
kurz vor dem Boden
hielte mich auf
einfach so

trüge mich
hoch in den Wind
zurück
und alles begänne
von vorn
wie ein Spiel
ohne Winter
herbstzeitlos