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Messer Gabel Löffel
gemütlich zusammen
Familienessen
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undenkbar
ich in den kleidern
meiner mutter
die haare dauergewellt
seidenstrümpfe an den beinen
großblumiges um die hüften
auf dem kopf ein weißes hutgebilde
dazu passende handtasche
und stöckelschuhe
wer wäre ich gewesen
in diesem kostüm?
die queen?
jedes jahr
schenke ich mir selbst
etwas zum geburtstag
erfülle mir einen
ganz geheimen wunsch
den ich vorher
n i e m a n d e m
verrate
damit er geheim bleibt
bis zum schluss und
nur ich ihn kenne
bald habe ich wieder
geburtstag, und
im schrank liegt schon
mein geheimes geschenk
gut versteckt
ich muss mich sehr
beherrschen, dass ich
nicht krame und danach
suche
es kommt vor
dass ich mich nicht mehr
erinnere, wo ich
mein geschenk versteckt
habe
wie ein eichhörnchen
fühle ich mich dann
betrogen
um eine kostbare nuss
und keiner kann mir
helfen
auch ich nicht
das buch in meiner hand
hätte von mir sein
können, wenn ich es
geschrieben hätte
es ist in dem verlag
erschienen, den ich
gewählt hätte oder der
mich erwählt hätte
mit genau dem titelbild
das mir gefallen hätte
nur leider ist es
nicht von mir
* es handelt sich um "Haus und Hof, Sachen, Leute"
von Anna Breitenbach, Klöpfer & Meyer 2016
er kniet mitten im kartoffelfeld
robbt kniend vorwärts
um die kartoffeln aus der erde zu lesen
wo gibt es das noch
heute
in diesem land
gefragt nach der betteleiche
die wir suchen
deutet er schräg hinter sich
da steht sie
seit vierhundert jahren
zeugin
die zeit hält den atem an
die alten sterben weg
in unserer straße
leer stehende häuser
dunkle wohnungen
verlassene frauen
wer geht als nächstes
fragen wir uns
wir stöhnen in der sommerhitze
fürchten uns vorm kalten winter
und sind doch froh dass
wir noch da sind
in unsrer straße
die vögel singen
wie immer
wir freuen uns
über die jungen meisen
die grünfinken und spatzen
wir füttern sie
damit sie bleiben
auch bäume haben krampfadern
stehen fest verwurzelt
mit einem einzigen
adrigen fuß
im fürstenwald
sehr alt
sehr dick
und mächtig beeindruckend
hohe gestalten
mit narbiger rinde
warzen und höhlen
vielleicht möchten sie
umarmt werden oder
einfach eine ruh' haben
sie sind die haare der erde
und wir nur die läuse*
*diese erkenntnis verdanke ich tom körner und seiner baumumarmerin - danke tom
eine zaunlatte ist locker
das tor hängt schon lange
schief in den angeln
der pfosten bröckelt
zwei mal im jahr
kommt einer vorbei und
mäht den rasen
das dunkelhäutige kind
das manchmal im garten
vor dem haus spielt
wirkt unbehaust
ringsum
herrscht ordnung
Jemand wie du
Hat in meinem Leben gefehlt
Ich wusste es nicht
Kein rot blinkendes Licht
Kein schriller Alarmton
Zeigt an, wenn
Einer fehlt in deinem Leben
Erst wenn die Lücke gefüllt ist
Spürst du den Mangel
dürfen was man will
aber nicht wollen was man darf
obwohl man wieder wollen darf
was man will
ich lasse zu
dass die vögel nester bauen
in meinem haar
es sind nester
der sorge, der angst, des schreckens
sie wollen behüten
was in frage gestellt wird
einst flocht die mutter
dem kind zöpfe
damit es keine nester gab
im langen haar
sie meinte es gut
die mutter ist längst tot
die nester im haar
sind der einzige schutz
„Dass die Vögel der Sorge und des Kummers über deinem Haupt fliegen, kannst du nicht ändern. Aber dass sie Nester in deinem Haar bauen, das kannst du verhindern.“
Martin Luther
Der kleine Berber unter meinen Füßen
atmet
noch immer Sand
Ein paar Fransen fehlen -
eingebaute Schwäche
Ein paar Fehler im Gewebe, kleine Unruhen
Er ist nicht vollkommen
Alle Farben Marokkos spiegeln sich in ihm
Sandbeige, Ocker, Senfgelb, Karminrot
und dieses bestimmte
Blau, das ins Türkis geht, auch ein
verhaltenes Grün
Wie Berberaugen gründeln die
schwarzen
Flecken, das Braun ist wohl von
Dromedaren, die
schaukelnd durch die Wüste ziehn
Steingrau die Berge und ein helles Blau der Himmel
über
kargem Land
Ich seh noch das Wollweiß der Ziegen, die auf Bäume
klettern - unfreiwillige Attraktion
Eine Kette mit Türkisen zum Tausch
fürs Sonnenschild?
Ich habe abgelehnt, bereu es nicht
Du weißt -
Kein Schmuck auf meiner Haut
nur ein kleiner Berber zu meinen Füßen
an vögel denken, wenn du
welke blätter siehst im kahlen baum
immer, wenn die sonne morgens scheint
lacht dich der tag an wie
dein jüngeres gesicht
deine ersten gedanken sind kleine vögel
in den ästen eines kahlen baums
du traust ihnen alles zu
sie können fliegen
Teppichfransen kämmen -
meine Zehen erinnern sich und
glätten die Fransen
des kleinen Marokkaners
während Erinnerungsfetzen
durch meinen Kopf jagen
ungeordnet
war das Erziehung?