.
in mir
weit entfernt
das nachbeben der enttäuschung
.

die lange weile der tage

du brichst ein
in die lange weile der tage

ich bin froh, dass es dich gibt

dass du mich ablenkst
vom vergehen ohne spur

gestern allein mit dem mond

gestern abend
allein mit dem mond

wir schauten uns an
lange
lächelten uns zu
flüchtig

bevor die nächste
wolke gefräßig
vorüberzog


herbst


das taumelnde blatt
auffangen
die regentropfen
trinken

den toten
ein lächeln auf die lippen
malen
bevor sie abtauchen
ins vergessen

tanzen und
lächelnd vergehn

älter werden

noch
bin ich bleib ich
jung
in deinen augen

doch du wirst rar
stirbst langsam aus
und irgendwann
werd ich
in allen augen
die mich spiegeln
alt sein



rainmaker

rainmaker*
der himmel
so grau


der himmel grau
die stimmung im keller
high


*ein alter song von traffic

rainmaker 



tanzen

da ist sie wieder
diese kleine freude die
mich tanzen lässt
zur musik aus dem radio

oft denke ich
sie kommt nie wieder
ist einfach versiegt
ich werde alt
das tanzen ist vorbei

dann sehe ich
die herbstblätter
im wind
tanzen
und ich weiß
das tanzen geht nie
vorbei


bruder - ein traum

da lebst du
in diesem kleinen zimmer
vollgestellt mit alten möbeln
der boden bedeckt mit
dunkelbunt gewebten teppichen

in der mitte
zwei große mülltonnen
eine grün eine grau

und neben dem spülstein
taucht erst ein ameisenbär
dann ein fischotter auf
und sieht uns an
mit weiten augen

da lebst du also

auf nach schottland

lass uns eine reise tun
in den norden
bevor er sich von uns trennt
ohne gütliche scheidung

wir können nichts tun
gegen das ewig gestrige
außer es rechts liegen lassen
so gut es eben geht




zeit

zeit ist ein raum
für mich
den ich blind ertaste
ängstlich begehe

ausgesetzt bin ich
in der zeit
selten umarmt sie mich
mütterlich




tagebuchnotiz

wieder feines federleichtes
gelesen
von anderen die sich
trauen
über schwankende hängebrücken
zu balancieren
ohne angst


regentropfen

als kind
pflückte ich sie
fing sie auf
ließ sie genüsslich
auf der zunge zergehn

süß waren sie

nur die schuhe
durften nicht nass werden
schon als kind
habe ich nasse füße
gehasst

kleiner meisengruß

husch husch
ins vogelhaus

kleinvieh
macht auch
mist

pickiertes klopfen
auf holz

und ab die post

allein

endlich allein
singe ich
mit gebrochener stimme
spreche
zu mir selbst
lausche
in mich hinein
empfange
eine vermisstenanzeige

wo war ich
die ganze zeit?



ich nehme mir

 .

ich nehme mir
die freiheit der luft
zum atmen

.

meine wohnung

das ist er schlüssel
zu meiner türe
er liegt in deiner hand

das ist mein spiegel
lächeln befiehlt er
ich schaue ernst

das ist mein kleiner berberteppich
weitgereist
trägt er die wüste in sich

das ist mein fenster
davor sitzt ein sperling der
meine möwe ist

das ist mein bett
es erwartet mich
mit träumen aus glas

und das bist du
mein einer und alles



heraus mit der sprache

ich will nicht so recht heraus
mit der sprache
und auch das habe ich nur geklaut
von einem der
ständig worte erbricht
obwohl er behauptet
dass er nicht so recht heraus will
mit der sprache
die voll erblühten ROSEN
schreibe ich gern GROß

sie klein zu schreiben
würde ihrer schönheit nicht gerecht


die Hand

falls ich sehr alt werde
würde ich gern ein Foto machen
von meiner emsigen rechten Hand
würde gern voll Stolz zeigen
wie sie noch den Stift halten
immer noch schreiben will
die verknotete alte Hand                       
eifrig dabei
immer noch

ich füchte
es wird dieses Foto nie geben
weil sie jetzt schon
verlernt hat zu schreiben
diese Hand in den besten Jahren
will nicht mehr
schludert nur noch
Unleserliches dahin
aufs geduldige Papier

schön


so ein tag
einfach ein tag
ohne ecken und kanten

draußen die vögel
munter schwatzend
drinnen wir
locker gesprächsfäden
knüpfend

dazwischen
gedanken die mit den
wolken ziehen
ein lüftchen das
sie verweht

und der himmel
muss nicht
blau sein

schön
so ein tag



frühlingsgedicht


was soll ich schon sagen -
ein frühlingsgedicht?

den frühling nicht besingen wollen
wär eine schande
ihn zu beschreiben versuchen
ein schwerer tathergang
den kern des jahrs verfehlend der
sich erst formt
so früh

bald ist alles da der flieder
ist schon aufgeblüht
die letzten zweige
werden ihre knospen gebären
und die roten tulpen in der wiese
sich schon demütig
neigen

die sonne wird wieder 
durst in die wurzeln brennen
und es wird zu spät sein für ein
frühlingsgedicht




was läuft da schief?

vierzehn rehe
tatsache
wirklich gezählt
am helllichten nachmittag
mitten auf dem freien feld und
war das nicht eben ein storch
dort oben
kreisend
über der stadt?

was läuft da schief
wohin soll das noch führen?

das wunder der bilder

immer wieder
berührend
verstörend
das wunder der bildnisse

die eine kunstfertige hand
ein ungebärdiger geist
eine unbehaust bewohntes selbst
ein von innen nach außen gestülptes empfinden
ein leiser humor

zeichnen

malrezept: "der rhythmus des malens soll sein wie atemstöße, wenn uns das leben würgt."

maria lassnig  werke aus der sammlung klewan
in der staatsgalerie stuttgart


ein-bild-produktion - für ksc

mein liegen im bett
sei eine ein-bild-produktion
dachte ich heute nacht
im bett halb wach liegend
und lag natürlich völlig falsch
denn ich hatte mich sicher schon
zehn mal von einer seite
auf die andere gedreht und so
eine folge von mindestens
zehn bildern oder gar
ein ganzes video erzeugt

als ich auf die uhr sah
war es 1 uhr 27
die nächtliche produktion war also
gerade erst angelaufen
sie würde noch stundenlang
weiter gehen
bis zum morgen

seufzend drehte ich mich um
und produzierte weiter
bilder meines schlafens



zum verständnis muss ich sagen, dass ich 
beruflich bilder recherchiere
und im traum oft unbezahlt weiter arbeite

später nachmittag

der überdruss
des späten nachmittags
bevor der abend fällt
alles getan
alles gedacht
alles gehört gelesen
geschrieben
ein ende abzusehen
dieses tags

zwischen den dächern
lauert schon das kleine
abendrot und schatten
fallen ins gras
der wind hat sich gelegt
gottseidank
diese ständige unruh
in den bäumen
und in mir

legt sich
bald


frommer wunsch

ich wünsche dir
eine gute landung
sagt sie

hoch oben am himmel
fliegt gemächlich
eine kleine propellermaschine

ein kleines wunder

ein wunder
die vögel singen wieder

hin und weg verhuscht
im vogelhaus zwei meisen
ein amselrich gemütlich hockend
weltbetrachter dazu
zwei ringeltauben
ein paar? mit halsgeschmeide

rugediguu
bald ruhn die winterschuh'




wechsel der perspektive


statt aufs weiche sofa
zum aufrechten stuhl und
gedichte lesen

licht hinterm vorhang

licht hinterm vorhang

wartest du schon
dass sich der schlüssel
im schloss dreht
die tür aufgeht
die welt eintritt?

ich komme -
immer wieder
komme ich
heim

bringe die welt mit
in mundgerechten
häppchen
für dich

nicht alles ist leicht zu beißen

manchmal lasse ich
das unverdauliche draußen
vor der tür
einfach fallen

und verdränge
dass du am nächsten morgen
stolpern könntest
über die reste




Bild:  Karin Heinrich