Die Prinzen

Die beiden. Schon wieder.
Immer da, wenn ich durchs Dorf muss. Sie wittern es, wenn ich komme. Zwillingsbrüder, nicht aus einem Ei. Ich weiß nicht genau, was das bedeutet. Ich seh nur, dass sie sich nicht bis aufs Tüpfelchen gleichen. Einer ist breiter, eckiger, ungelenker,  ungestümer, seine Haare sind heller, strohiger. Er hat ein blaues und ein braunes Auge. Ich mag den Schmaleren lieber, den mit den dunkleren, feinen Haaren und den seegrünen Augen.
Klar.
Aber beide haben dasselbe im Blick. Es ist etwas Schiefes.

Ein einziges Mal würde ich gern durchs Dorf gehen ohne die beiden. Einfach so für mich. Ohne vorher einen Gedanken an sie verschwenden zu müssen. Ohne überlegen zu müssen, was sie im Schild führen. Sie sind wie der Hund, der nach meinen Waden schnappt, wie die Gänse, die mit gestrecktem Hals zischend hinter mir herlaufen.
Ich weiß nicht, ob der Hübschere mich leiden mag. Ich weiß nicht, ob der Hässliche mich hasst. Beide tun so, als sei ich ihnen gleichgültig. Aber, sie sind immer da. Sie passen mich ab. Es sieht so aus, als wollten sie mir den Weg verstellen. Es scheint, als wollten sie mit Steinchen nach mir werfen. Als wollten sie mir nachlaufen und mich am Arm festhalten. Aber sie machen nur einen Schritt vorwärts und halten dann inne. Sie fahren unschlüssig mit ihren braunen Schuhspitzen durch den roten Sand, malen Kreise mit den nackten Zehen. Sind wie zwei störrische Esel.

Ich bin „die aus der Stadt“, ich gehör nicht hierher.

Sie verstellen mir nicht den Weg. Sie heften nur ihre Augen an mir fest. Sie bohren ihren Blick in meinen Rücken, bis mein Rücken lichterloh brennt.

Zu mir sagen sie nie ein Wort. Auch kein schlimmes.
Manchmal werfen sich ihre Münder Brocken zu. Es sind keine Wörter, sondern Laute hart und trocken wie altes Brot. Manchmal ruft eine raue Stimme nach ihnen, und sie ziehen sich unwillig zurück in die schmale Gasse, die zu ihrem Hof führt. Es ist die einzige Gasse, die von der Dorfstraße abgeht. Sie ist nicht geteert. Es ist der einzige Hof, der nicht direkt an der Straße liegt. Sie sind die einzigen Zwillinge im Dorf.

Ich würde gern in ihre Köpfe schauen. Ich wünschte mir, ich könnte in ihren Augen lesen. Vielleicht fände ich ein Zauberwort.

4 Kommentare:

Blumenfreund hat gesagt…

Also, bei uns im Nachbarort sind genau die Zwillinge. Elmar ist oft mit dem Fahrrad dort unterwegs und hat mir erzählt, er sieht immer den gleichen Jungen, aber immer an verschiedenen Stellen. Bis er endlich dahinter gekommen ist, es sind Zwillinge :-)) Du hast genau diese Beiden in eine Geschichte gepackt, super.

Schönes Wochenende
Christine

herbst.zeitlosen hat gesagt…

es gibt halt überall verwunschene Prinzen ;o) Euch auch ein schönes Wochenende.
Monika

Anonym hat gesagt…

... deine Geschichte gefällt mir sehr, liebe Monika, sie macht ein wenig Gänsehaut, man ist versucht sich umzuschauen, ob da nicht jemand hinter einem steht. Die Angst vor dem was anders ist als wir selbst?

Ich wünsche dir schöne Frühlingstage,
Ramona

herbst.zeitlosen hat gesagt…

die Angst vor dem Fremden, ja, auch der Sprachlosigkeit, dieser in sich abgeschlossenen Einheit, ganz eigenen Welt, zu der man keinen Zugang findet ... Danke Ramona und schönes Wochenende