stolperstein











auf dem rücken ranzen
heft und bücher tanzen
herrnkind springt allein
in die weite welt hinein
stolpert übern pflasterstein
    böser stein
          stolperstein
heile heile mausespeck
in fünfzig jahr ist's kind dann
    weg

auf dem buckel ranzen
buch und hefte tanzen
sternkind geht allein
in die graue welt hinein
stolpert traurig übern stein
    gelber stern
        goldner stein
            stolperstein
heile heile mäusedreck
plötzlich ist das kindlein
    weg

Der Künstler Gunter Demnig erinnert an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten selbst gewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing ins Trottoir einlässt. Inzwischen liegen STOLPERSTEINE in über 500 Orten Deutschlands. Vor meinem Haus sind zwei davon.

Ein sehr spröder Text – ich weiß. Er erzählt von einem Schulweg, den zwei Kinder zur gleichen Zeit gegangen sind. Die Zeit hat beide inzwischen verschlungen, das eine früher, das andere später. „herrnkind“ und „sternkind“ habe ich aus Christa Wolfs „Nachdenken über Christa T.“  übernommen.

foto: katrin schäflein www.picturepilot.de

8 Kommentare:

Der Emil hat gesagt…

Ja, die Frau Wolf ... Über deren "Kein Ort. Nirgends" schrieb ich anno 1982 meinen Abituraufsatz ...

Blumenfreund hat gesagt…

Das ist sowas von ergreifend in Versform gebracht. Es macht nachdenklich, etwas beklemment. Wahrheit, leider.

Gruß
Christine

herbst.zeitlosen hat gesagt…

@ emil: da ich momentan sehr viel zeit zum lesen habe, habe ich mir die frau wolf wieder vorgeholt. sie ist immer aufs neue eine herausforderung.

@christine: ich habe gehofft, dass ich etwas von der beklemmung ausdrücken kann, die ich immer noch empfinde beim gedanken an diesen teil der deutschen geschichte. danke!

Früher Mal hat gesagt…

Stolpersteine: So gut wie die Absicht auch ist. Wir wollen nicht vergessen, welche erneute Kränkung es für jüdische Menschen ist, wenn ihr Name mit Füssen getreten wird. Von Wohlwollenden, Gedankenlosen, Bösartigen...

herbst.zeitlosen hat gesagt…

@ früher mal: danke für deine Anregung zum Nachdenken. Es wird immer ein Für und ein Wider geben, ich bin jedoch der Meinung, dass diese Steine ein Gedenkbuch der besonderen Art sind. Ihre Verlegung ist oft in begleitende Projekte eingebunden, führt zu Diskussionen, die das Thema im Leben halten. Schon das spricht m. E. dafür.
Wer bist du?
Grüße

Dies und Das vom Neckarstrand hat gesagt…

Diese Verse haben mich zum Nachdenken gebracht. Gerade am letzten Sonntag wurde bei uns eine Gedenktafel angebracht, die an die Opfer des hier ansässigen gewesenen KZ erinnert. Wir vergessen schnell.
Liebe Grüße
Irmi

Elsa Rieger hat gesagt…

Das wühlt so viel auf in mir, ein starker Text zu einem unsäglichen Thema!

Liebe Grüße
ELsa

Anonym hat gesagt…

Diese Worte erwischen unsere Verdrängung.
Mit einem Einzelschicksal kann man eher aufrütteln -
man sieht den Ranzen in die Ausweglosigkeit tanzen.

Liebe Grüße
Barbara