Weibs-Bilder IV

Ich sehe sie liegen und wünsche mir, an ihrer Stelle zu sein. Sie ist hingegossen auf den winzigen Strand, voll bekleidet, aber ausgebreitet wie ein offenes Buch. Ich lese in ihr. Ich spüre die Dünen und Senken des Sands, die Wärme des Bodens, den Druck eines winzigen Steins am Schulterblatt. Die Erde hält mich in der Schwebe, sie schaukelt mich träge durch die Stunden.
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Christopher Street Day vorbei: Sie hockt auf einem Steinpfosten, ihre Hände nesteln die Schnürsenkel der kniehohen Lackstiefel auf. Die sind bonbonrosa und spiegeln im Abendlicht. Sie ist ein Er. Er ist eine Sie. Der Lippenstift ist verschmiert, sie haben bis eben gespielt, dann ist der Vorhang plötzlich gefallen, und das Publikum hat sich auf den Heimweg gemacht. 
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Sie trägt ihr schrillstes T-Shirt. Das soll den schwarzen Schnitter blenden. Er darf nicht merken, wie es in ihr drin aussieht, wie todmüde ihre Knochen oft sind, wie es in ihrem Gebälk knarrt. Ihr bestes Stück ist der Rollator, der begleitet sie überall hin. Sie sind ein Paar. Er hängt sich manchmal am Bordstein auf, dann muss sie ihn befreien. Er ist unsterblich. So gut wie.



1 Kommentar:

Elsa Rieger hat gesagt…

Du malst deine Weibsbilder in scharfen Farben, super!

Liebe Grüße
ELsa